“Asoziale”, “Berufsverbrecherinnen” und “Berufsverbrecher”

Definition

Als „Asoziale“ bezeichneten die Nationalsozialisten gesellschaftliche Außenseiter oder wie sie es nannten „Gemeinschaftsfremde“. Dazu gehörten Wohnungslose, Umherziehende, Prostituierte, Menschen mit ansteckenden Geschlechtskrankheiten, Trunksüchtige, Arbeitsscheue, Arbeitsverweigerer, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kleinkriminelle und vorbestrafte Juden.

Als „Berufsverbrecher „oder „Gewohnheitsverbrecher“ wurden Menschen bezeichnet, die wegen kleinerer Delikte wie Einbruch, Diebstahl oder Hehlerei mehrfach vorbestraft waren.

Ein von der Norm abweichendes Verhalten wurde als gesellschafts- und staatsfeindlich deklariert. Soziale Not galt als Indiz für eine erbliche Minderwertigkeit, was bei diesen Menschen schon ab 1933 häufig zu Zwangssterilisationen mit der Diagnose „angeborener Schwachsinn“ führte.

Da behauptet wurde, dass „Verbrechertum“ seine Wurzeln im „Asozialen“ habe und sich fortlaufend aus ihm ergänze, sollten Justiz, Gestapo und Kriminalpolizei dagegen vorgehen.

Verschärfung des Strafrechts und Sicherungsverwahrung

Ab 1934 verschärften die Nationalsozialisten mit dem sogenannten Gewohnheitsverbrechergesetz  das bestehende Strafrecht. Das Strafmaß für alle Vergehen und Verbrechen wurde erhöht. Außerdem konnten die Richter für Häftlinge, die schon mehrmals für kleinere Vergehen vorbestraft waren, direkt nach Beendigung ihrer Haft die Sicherungsverwahrung in Anstalten oder Gefängnissen anordnen. Sicherungsverwahrung durfte auch nachträglich verhängt werden.

Verbrechensbekämpfung durch Vorbeugehaft

War keine Sicherungsverwahrung vorgesehen, durfte die Kriminalpolizei schon ab 1934 die Häftlinge bei ihrer Entlassung aus dem Gefängnis in Vorbeugehaft nehmen und in Arbeitshäuser, später auch direkt in ein Konzentrationslager bringen. Die Verurteilten wurden also doppelt bestraft.

Vorbestrafte, die sich auf freiem Fuß befanden, wurden von der Kriminalpolizei überwacht und mussten bestimmte Auflagen erfüllen. Taten sie das nicht, drohte ihnen die Vorbeugehaft im Konzentrationslager. Die Haft in den Konzentrationslagern wurde in kürzeren Zeitabständen überprüft, konnte aber vom Konzentrationslager oder von der Polizei immer wieder verlängert werden.

1937 brachte der Grunderlass über “Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ eine reichseinheitliche Regelung. Gestapo und Kriminalpolizei waren für die Vorbeugehaft gegen „Berufsverbrecher“ und die Ausdehnung der Vorbeugehaft auf „Asoziale“, „wenn sie durch asoziales Verhalten die Allgemeinheit gefährden“ zuständig. „Berufsverbrecher“ und „Asoziale“ konnten nun verhaftet, in Konzentrationslager „verschubt“ und ohne Gerichtsurteil dauerhaft weggesperrt werden. Damit wurden fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien verletzt.

Razzien gegen „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“

Schon 1933 nahm die Gestapo mit einer „Bettlerrazzia“ eine große Menge von „Asozialen“ in „Schutzhaft“ und brachte sie zur „Umerziehung“ in Arbeitshäuser und bei deren Überfüllung in Konzentrationslager.

1937 kam es zu einer großen Razzia gegen „Berufsverbrecher“, die man nur auf Grund ihrer Vorstrafen ohne ein Gerichtsurteil in Konzentrationslager brachte.

1938 verhafteten Gestapo und Kriminalpolizei bei der Aktion “Arbeitsscheu Reich” ca. 10.000 Menschen, die sofort als Schutz- oder Vorbeugehäftlinge, teilweise mit der Bezeichnung „Berufsverbrecher“, in Konzentrationslager eingewiesen wurden. Eine Haftüberprüfung fand nicht mehr statt.

Mit diesen Aktionen sollten dringend benötigte Arbeitskräfte beschafft werden. Außerdem hoffte man die Arbeitsdisziplin der Bevölkerung aus Angst vor einer Einweisung zu verbessern.

Unterstützt wurden Gestapo und Kriminalpolizei dabei durch die Arbeits-, Fürsorge- und Wohlfahrtsämter, sowie Verbände und Organisationen, die ihre Informationen zur Verfügung stellten oder selbst Anzeige erstatteten. Für die Einweisung von Frauen, die vor allem wegen Prostitution, Trunksucht oder kleineren Vergehen verhaftet wurden, spielten die Daten der Gesundheitsämter eine große Rolle.

Vernichtung durch Arbeit

Da mit dem Kriegsverlauf der Bedarf an Arbeitskräften in den Konzentrationslagern immer größer wurde, ging man verschärft gegen „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ vor. Häufig genügte schon die Anzeige durch eine Privatperson für die Festnahme und die unbefristete Einweisung in ein Konzentrationslager.

Zugleich betrachtete man alle nicht arbeitsfähigen Häftlinge, darunter Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und Zeugen Jehovas als unnötige „Ballastexistenzen“. Mit der 1941 begonnenen Aktion 14f13 entledigte man sich dieser Personen. „Euthanasie“-Ärztekommissionen kamen in die Konzentrationslager, sichteten die Unterlagen und bestimmten, wer in eine der noch arbeitenden Tötungsanstalten Bernburg, Pirna-Sonnenstein oder Hartheim transportiert werden sollte. Etliche Würzburger kamen mit diesen „Invalidentransporten“ in die Tötungsanstalt Hartheim.

1942 beschlossen Justizminister Otto Thierack und Heinrich Himmler die „Auslieferung asozialer Elemente aus dem Strafvollzug an den Reichsführer SS zur Vernichtung durch Arbeit.“ Immer wieder brachte man nun Gefängnisinsassen mit Sammeltransporten in die Konzentrationslager.

Ab 1943 wurden auch in den Heil- und Pflegeanstalten Sicherungsverwahrte in Hinblick auf ihre Arbeitsfähigkeit überprüft und zur „Vernichtung durch Arbeit“ ins KZ gebracht. Dieses Schicksal erlitten auch 12 Menschen aus der Heil- und Pflegeanstalt Lohr. Die Männer wurden am 30.März 1944 ins KZ Mauthausen gebracht, die Frauen nach Ausschwitz. Drei Männer und eine Frau aus Würzburg kamen dort ums Leben.

In den Konzentrationslagern

Spätestens ab 1938 bildeten die „Asozialen“ die größte Gruppe in den Konzentrationslagern. Man kennzeichnete sie mit einem schwarzen Winkel auf der Kleidung. Da sie sich in den Lagern nicht als Gruppe verstanden, gab es unter ihnen kaum Zusammenhalt. Zudem wurden sie von der Wachmannschaft besonders brutal behandelt.

“Pfahlhängen” an einem Baumstamm im Lagrgefängnis (Aquarell- und Tuschezeichnung von Georg Tauber, 1945 (DaA L 992/9/45111)

„Berufsverbrecher“ wurden mit einem grünen Winkel gekennzeichnet. Die meisten hatten vor ihrer Inhaftierung keine schweren Gewalttaten begangen. In der Häftlingshierarchie standen sie ganz unten und wiesen die höchste Sterblichkeitsrate auf.

Die Leichen wurden im Krematorium des Konzentrationslagers verbrannt.

Leichname vor den Verbrennungsöfen der “Baracke X” (Aquarell- und Bleistiftzeichnung von Georg Tauber, 1945/1946 (DaA L 992/28/45111)

Man weiß bis heute nicht, wie viele Menschen mit schwarzem und grünem Winkel bis 1945 in den Konzentrationslagern inhaftiert waren und gestorben sind. Man schätzt mehrere Zehntausend Männer und etwa 5000 Frauen.

Nach dem Krieg

Jahrzehntelang wurde das an diesen Menschen begangene Unrecht nicht gesehen. Eine Wiedergutmachung stand nur „rassisch, religiös und weltanschaulich Verfolgten“ zu.

Viel zu spät, erst am 13. Februar 2020, wurden ihre Ansprüche vom Deutschen Bundestag anerkannt.