Sinti und Roma

1933 – 1938: Verschärfung der Verfolgung

Bereits lange vor der Machtergreifung Hitlers wurden Sinti und Roma an den Rand der Gesellschaft gedrängt und diskriminiert. Schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik gab es zahlreiche Gesetze, Erlasse und Verordnungen zur  »Bekämpfung der Zigeunerplage«. Allein schon, die andere Lebensweise der „Fahrenden“ weckte beim Durchschnittsbürger Argwohn und Ablehnung. Gleichzeitig wurde das Nomadentum der „Zigeuner“ aber auch in der Literatur, in Opern und Operetten des 19. und 20. Jahrhunderts oft  romantisch verklärt. Man schrieb ihnen ein unabhängiges, naturverbundenes und sorgenfreies Leben zu.

Viele Sinti und Roma wurden aber auch mehr oder weniger sesshaft, bauten sich eine „bürgerliche“ Existenz auf und waren gesellschaftlich integriert.

In der „Pfälzischen Rundschau“ heißt es über die Eußerthaler Sinti, von denen auch Würzburger Sinti abstammen:

„Die Zigeunerfamilien kommen ins Dorf, kaufen ihre Milch und ihr Brot, fallen sonst nicht auf, schicken ihre Kinder in die Ortsschule, besuchen den Gottesdienst, denn sie sind zum römisch katholischen Glauben übergetreten und haben auch bei der letzten Reichspräsidentenwahl ihre Staatsbürgerpflicht erfüllt.“

Viele hatten im Ersten Weltkrieg in der Reichswehr gedient und Auszeichnungen erhalten.

Dennoch bereiteten die weit verbreiteten Vorurteile nach 1933 den Boden für die schrittweise Ausgrenzung und staatliche Verfolgung der „zigeunerischen“ Personen. Sie wurden ihrer Rechte beraubt, vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und waren von Berufsverboten betroffen. Das 1933 verabschiedete Gesetz zur “Verhütung erbkranken Nachwuchses” ermöglichte auch Zwangssterilisationen von „Zigeunern“. Die “Nürnberger Rassegesetze“ von 1935, die sich zunächst nur auf  jüdische Bürger bezogen, schlossen bald auch Sinti und Roma aus der “Volksgemeinschaft” aus. Durch das “Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre” wurden ihnen beispielsweise Ehen mit “deutschblütigen Personen” verboten und sie verloren durch die Gesetzgebung die deutsche Reichsbürgerschaft.

1938 Gründung der „Rassehygienischen Forschungsstelle“ in Berlin

Ab 1938 wurden Sinti und Roma von der Rassehygienischen Forschungsstelle systematisch erfasst. Ihr Leiter Dr. Robert Ritter hatte sich zum Ziel gesetzt, jeden einzelnen „Zigeuner“ im Deutschen Reich aufzuspüren. Mit einem Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereiste er das Land und suchte überall nach Sinti und Roma. Kinder, Frauen und Männer wurden unter Zwang nach ihrer Herkunft und ihrer Muttersprache befragt und körperlich untersucht. Diese „Gutachten“ waren eine wichtige Grundlage für den Verfolgungsapparat.

Bereits  im Sommer 1938 waren mehrere hundert Sinti und Roma von einer ersten Verhaftungswelle betroffen. In der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ (ASR) wurden sie verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Ab 1940 erfolgten erste Deportationen in das besetzte Polen.

Im Oktober 1938 wurde die „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ errichtet, die die Erfassung und Verfolgung der Sinti und Roma im Deutschen Reich koordinierte.

Ab Oktober 1939 durften Sinti und Roma ihren Wohnsitz oder momentanen Aufenthaltsort nicht mehr verlassen. Die Möglichkeit, sich den Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit zu verdienen, wurde damit insbesondere für die Sinti und Roma erschwert, die von einem Wandergewerbe lebten. Bei Nichtbefolgung des Erlasses drohte ihnen die KZ-Haft.

1941 erfolgte der Schulverweis für Sinti-Kinder. 1942 wurden Sinti und Roma aus “rassepolitischen Gründen” aus der Wehrmacht entlassen.

16. Dezember 1942 „Auschwitz-Erlass“

Porajmos, das „Verschlingen“, so heißt der nationalsozialistische Völkermord an Sinti und Roma auf Romanes. Andere sprechen von «Kali Trash» («schwarze Angst»).

Im Dezember 1942 leitete der SS-Reichsführer Heinrich Himmler mit der Unterzeichnung des Auschwitz-Erlasses die letzte Phase der  Verfolgung ein: die Deportation von „Zigeunern ohne Rücksicht auf den Mischlingsgrad“ in das Konzentrationslager Auschwitz.  Ziel war die Vernichtung aller in Deutschland lebenden Sinti und Roma.

Um der Deportation zu entgehen, wurden die Sinti und Roma auf der Grundlage dieses Erlasses dazu erpresst, ihre eigene Sterilisation und die ihrer Kinder zu beantragen. Dieses „Angebot“ wurde jedoch keineswegs immer eingehalten. Zwangssterilisationen wurden schon bei Kindern ab dem 12. Lebensjahr vorgenommen.

Rund 22.700 Menschen wurden ab dem Frühjahr 1943 nach Ausschwitz deportiert, etwa 6.000 von ihnen waren Kinder unter 14 Jahren. Bis Jahresende 1943 starben fast drei Viertel der in einem besonderen Lagerabschnitt gefangen gehaltenen Sinti und Roma.

16. Mai 1944 Widerstand der Häftlinge

Der Versuch, am 16. Mai 1944 das „Zigeunerlager“ mit ca. 6.000 Menschen in Auschwitz zu „liquidieren“, wurde zunächst aufgrund des Widerstands der Häftlinge aufgegeben.

In den kommenden Monaten erfolgte die Deportation von etwa 3.000 dieser Menschen in andere KZs. In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 ermordete die SS 2.897 Sinti und Roma, meist Kinder, Frauen und Alte, in den Gaskammern.

Sinti und Roma in Würzburg

Unter den Opfern, die in das sogenannte Zigeunerlager in Auschwitz verschleppt wurden, waren auch etwa 30 namentlich bekannte Würzburger Sinti, die meisten Angehörige der Familien Winterstein, Heumann und Hilbert, darunter 14 Kinder. Nur von vier Erwachsenen wissen wir, dass sie die Lagerhaft überlebten.

Zu den Opfern gehören auch diejenigen, die sich an der Würzburger Universitätsklinik Zwangssterilisationen und –abtreibungen unterziehen mussten, oft mit dem Versprechen, dass sie dann einer Deportation entgehen würden. Außerdem auch Menschen, an denen man im Rahmen der Zwillingsforschung des Dr. Werner Heyde Menschenversuche unternahm. Unter den Leidtragenden befanden sich auch zwei Säuglinge aus der Familie Winterstein, Rita und Rolanda. Während Rolanda nur noch tot aufgefunden wurde, konnte die Mutter ihre Tochter Rita schwerverletzt aus dem Krankenhaus herausholen und retten. Rita Prigmore ist weltweit als Zeitzeugin aufgetreten und setzt sich für Versöhnung ein. Im Jahr 2013 hat sie den Würzburger Friedenspreis erhalten.

Jedes Jahr am „Internationalen Tag des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma“, gedenkt Würzburg seiner ermordeten Sinti am Mahnmal am Paradeplatz.