Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

1933 – 1939

Nicht-„volksdeutsche“ Arbeitskräfte, sogenannte Zivil- oder Fremdarbeiter, waren in den ersten Jahren des Dritten Reiches in ihren Heimatländern, überwiegend in Frankreich, den Niederlanden, Italien und Polen, vom deutschen Arbeitsamt angeworben worden und wurden zu den in Deutschland gültigen Arbeitsbedingungen beschäftigt. Dies galt nicht für die Lebensbedingungen, da sie in eigenen Barackenlagern oder separiert bei ihren Einsatzstellen untergebracht waren. Auch ihre Versorgung mit Lebensmitteln, Verpflegung oder Kleidung war wesentlich schlechter als bei der deutschen Bevölkerung.

      

Der Ausweis eines italienischen Zwangsarbeiters, der wahrscheinlich als italienischer Militärinternierter ins Deutsche Reich gekommen ist.

Kriegsbeginn

Nachdem diese Vorgehensweise der Arbeitskräftebeschaffung nicht die gewünschte und erwartete Wirkung erzielte und der Bedarf kriegsbedingt weiter  anstieg, wurden mehr und mehr Menschen auch gegen ihren Willen in ihren Heimatländern zum Arbeitsdienst dienstverpflichtet und ins Deutsche Reich verschleppt. Selbst freiwilligen Arbeitskräften, die einen Urlaubsanspruch hatten, war es mit Fortdauer des Krieges nicht mehr erlaubt das Deutsche Reich zu verlassen.

Die Kriegsgefangenen standen unter dem Schutz der ’Genfer Konvention’ vom Juli 1929. Darin war vereinbart, dass Soldaten, außer den Offizieren, zu Arbeitseinsätzen herangezogen werden dürfen. Davon ausgenommen war die Rüstungsindustrie. Sowjetische Kriegsgefangene wurden in der Regel separat von anderen Kriegsgefangen und unter verschärften Bedingungen gehalten, da Russland der Genfer Konvention nicht beigetreten war.

1939 – 1945

Juristisch hatten Fremdarbeiter keinen Status, sie waren absolut rechtlos, ihnen war aber ein Katalog an Pflichten und Verboten eröffnet worden, den sie penibel erfüllen mussten, um nicht straffällig zu werden. Die Gestapo konnte Fremdarbeiter zur Aburteilung an Gerichte ausliefern. Wenn eine Verurteilung erfolgversprechend erschien, nahm sie die Bestrafung meist selbst vor, durch Verhängung von Haftstrafen oder die Einweisung in ein Arbeitserziehungs-, Straf- oder  in ein Konzentrationslager.

Polnische, ukrainische und sowjetische Zwangsarbeiter wurden noch schlechter behandelt als die westlichen Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter, da sie in der NS-Rassenideologie als slawische Untermenschen galten.

Zur Verhinderung der Spionage, aber auch der Rassenschande durften Zwangsarbeiter nicht am gesellschaftlichen Leben mit Deutschen teilnehmen. Sie mussten stets unter sich bleiben.

Der Zugang zu Luftschutzbunkern wurde Kriegsgefangenen, Ostarbeitern und Polen ab 1942 grundsätzlich untersagt.

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1. September 1942 Inbetriebnahme des Notgefängnisses Friesstraße

Der Einsatz von Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen wurde von den meisten deutschen Arbeits- und Dienststellen hemmungslos ausgenutzt. Begünstigt wurde das durch die oft mangelhafte Bildung der Zwangsarbeiter. Nicht wenige konnten weder lesen noch schreiben und hatten sprachliche Verständigungsschwierigkeiten.

Auch kleinere Betriebe hatten „ihren“ Franzosen oder Polen und es war bekannt, dass es rechtlose Arbeitskräfte waren, die schon im Falle des geringsten Verdachts eines Vergehens rücksichtslos behandelt, verhaftet und bestraft würden. Dies lässt sich anhand der Dokumente über das Würzburger Notgefängnis in der Friesstraße zweifelsfrei belegen.

Da die Haftanstalt Würzburg überfüllt war und Zwangsarbeiter dort angeblich zu bequem untergebracht waren, errichtete die Gestapo im September 1942 das Notgefängnis Friesstraße, ein Barackenlager, das den Vorgaben der SS für Konzentrationslager entsprach.

Das Spektrum der vorgeworfenen Vergehen reichte vom einfachen Diebstahl, Tätlichkeiten gegen den Arbeitgeber, verbotenem Glücksspiel, Körperverletzungen, verbotenen Schilderungen von Vorkommnissen im Umfeld des Arbeitsplatzes in Briefen, über freundschaftliche Kontakte bzw. sexuelle Verhältnisse mit deutschen Frauen oder Männern bis hin zu Kindesmissbrauch. Fälle von Tätlichkeiten gegen den Arbeitgeber, von sexuellen Beziehungen und von Kindesmissbrauch führten unweigerlich zur Einweisung in ein Konzentrationslager, meist mit „Sonderbehandlung“, d.h. der sofortigen Exekution nach der Ankunft.

In Würzburg waren während des Krieges 6.000 – 9.000 Männer, Frauen und Kinder ständig im Einsatz. Sie waren überwiegend im Gastgewerbe, Handel, Handwerk, in der Industrie, der Landwirtschaft und teils sogar in Privathaushalten beschäftigt und wurden dort ausgebeutet. Um diese Personen unterzubringen, wurden diverse Barackenlager und Unterkünfte in Gaststätten, Turnhallen, Kasernengebäuden sowie Privatunterkünften an den Arbeitsstellen geschaffen.

Bei all den Vergehen, die Zwangsarbeitern zu Recht oder auch zu Unrecht angelastet wurden, sollte immer auch bedacht werden, dass sich diese hier in einer permanenten Ausnahmesituation befanden und oft entsprechend unbedacht oder aus der puren Not heraus handelten, was sich an unzähligen Fällen zeigen lässt.

Sicherlich wurden nicht alle Zwangsarbeiter ausgebeutet, gedemütigt oder misshandelt. Die Gestapoakten dokumentieren nur die negativen Fälle, die zur Haft führten, wozu eine einfache Denunziation ausreichte. Es gibt viele Beispiele, in denen den Arbeitskräften gute Behandlung, Hilfe oder Unterstützung widerfuhr. Dies zeigt sich auch darin, dass einige nach Kriegsende hier blieben – aus persönlichen, aber auch aus politischen Gründen – und Familien gründeten oder bei Kriegsende ihre früheren Arbeitgeber vor marodierenden Zwangsarbeitern schützten und ihnen so das Leben retteten.

16. März 1945

Bei dem Luftangriff auf Würzburg wurden die meisten Zwangsarbeiterlager und das Notgefängnis Friesstraße zerstört. Viele Zwangsarbeiter kamen dabei ums Leben. Im Notgefängnis sollen 120 Frauen und Männer verbrannt oder auf der Flucht erschossen worden sein.

Am 21. April 1945 tanzten und musizierten befreite Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Frankreich, Holland, Russland und Serbien auf der Dachterrasse des Würzburger Studentenhauses, dem ehemaligen Goebbels-Haus der national-sozialistischen Studenten.

Für einen Zwangsarbeiter war bereits im Jahr 2008 ein erster Stolperstein in Würzburg verlegt worden. Im April 2019 wurden 21 weitere Stolpersteine für ermordete Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Friesstraße am Ort des ehemaligen Notgefängnisses verlegt.

In Würzburg sind nachweisbar 317 Zwangsarbeiter, Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangene ums Leben gekommen. Teils wurden sie ermordet, starben an Krankheiten oder bei Luftangriffen. Meist ist nicht einmal die Todesursache bekannt.

Nachdem für diese Opfer nur wenige oder gar keine biographischen Daten vorhanden sind, können auch keine Stolpersteine verlegt werden. Daher sollen zumindest die biographischen Angaben hier zugänglich gemacht werden