31. Stolpersteinverlegung, Juni 2022

Am 27. Juni 2022 fand die 31. Verlegung des Arbeitskreises Stolpersteine statt. Verlegt wurden 15 Stolpersteine, darunter zum ersten Mal fünf Steine für Menschen aus einer Gruppe, die erst 2020 als Opfer des NS-Regimes anerkannt wurde. Arme, Wohnungslose, Suchtkranke, Prostituierte, Arbeitslose, Kleinkriminelle – in der NS-Diktatur wurden sie als „Asoziale“ verfolgt. Kriminelle, aber auch wegen kleiner Delikte Vorbestrafte wurden als „Berufsverbrecher“ bezeichnet. Als „Gemeinschaftsfremde“ schadeten sie durch ihre Lebensführung vermeintlich dem „Volkskörper“ und galten als erblich minderwertig. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslager gebracht, wo ein großer Teil zu Tode kam.

Jahrzehntelang wurde das an diesen Menschen begangene Unrecht nicht gesehen. Eine Wiedergutmachung gestand man ihnen nicht zu.

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Da darüber leider in der Öffentlichkeit immer noch zu wenig bekannt ist, fand im Vorfeld der Verlegung ein umfangreiches Begleitprogramm statt.

Bereits am 25.Mai wurde im Foyer des Würzburger Rathauses vor vielen interessierten Zuschauern eine Ausstellung zu der Thematik eröffnet. Grundlage war eine Wanderausstellung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V., ergänzt durch Tafeln des Arbeitskreises Stolpersteine mit regionalem Bezug und Biografien von Würzburger Opfern. In den folgenden Wochen fanden Führungen von 15 Schulkassen unterschiedlicher Altersstufen und Schularten statt – von Förderschülern, Fachoberschülern bis zu Polizeischülern. Als sehr erfolgreich erwies sich dabei die Kooperation mit der Jugendbildungsstätte des Bezirks Unterfranken, die mehrere Guides stellte. Bei den Führungen wurde durch die Einbeziehung von Vertretern von Einrichtungen, die heute mit ausgegrenzten Menschen arbeiten, versucht, einen Gegenwartsbezug zu schaffen.

Am 3. Juni sprach Prof. Dr. Frank Nonnenmacher, Gründer einer Initiative zur Anerkennung dieser Opfergruppe, in einem Vortrag im Ratssaal über die schleppende Umsetzung dieses Beschlusses im Bundestag.

Seine eigene familiäre Betroffenheit spielte dabei eine wichtige Rolle, festgehalten in einer spannenden biografisch-historisch-politischen Erzählung.  Frank Nonnenmacher las Auszüge aus dieser Biografie seines Onkels, eines von den Nazis als „Asozialer“ und „Berufsverbrecher“ Verfolgten. Er brachte damit für die Zuhörer das Schicksal dieser Menschen auf eine sehr persönliche Ebene und gab den Opfern ein Gesicht.

Ebenfalls persönliche Betroffenheit war Ausgangspunkt eines Erzähltheaters von Harald Hahn: „Monolog mit meinem „asozialen“ Großvater – Ein Häftling in Buchenwald.“ Der Theatermacher und -pädagoge Harald Hahn, der lange Zeit wenig über die Geschichte seiner Familie wusste, versuchte sich in seinem Stück diesem Familiengeheimnis anzunähern – und dabei aufzeigen, was Schuld, Scham und Schweigen über Generationen in Familien anrichten, wie Klasse und Herkunft unsere Gesellschaft heute noch strukturieren und was das mit dem Wert eines Lebens macht. Im Anschluss an die Aufführungen vor Schülern im Ratssaal, in der Justizvollzugsanstalt und in der Augustinerkirche fand ein Publikumsgespräch statt, das durch die sehr unterschiedliche Zuschauerschaft geprägt, aber immer bereichernd und interessant war.

Weitere Informationen können dem folgendem Faltblatt entnommen werden: Faltblatt “Asoziale” und “Berufsverbrecher” im Nationalsozialismus